Wie kann ein ausgebauter Spitzboden im Sachwertverfahren berücksichtigt werden?
Wie kann ein ausgebauter Spitzboden im Sachwertverfahren berücksichtigt werden?
Oft wird die letzte freie Ecke unterm Dach in einen gemütlichen Rückzugsort verwandelt: für’s Ausspannen, als kleines Büro oder als Spielebene. Je steiler die Dachneigung, desto mehr kann aus dem sog. Spitzboden werden. In der Wertermittlung stellt sich die Frage, wie solche Räume zu berücksichtigen sind.
Was versteht man unter einem Spitzboden?
Es besteht keine allgemeingültige Definition eines Spitzbodens. Gemäß der DIN 1055 (Einwirkungen von Lasten auf das Tragwerk) ist ein Spitzboden ein für Wohnzwecke nicht geeigneter Dachraum unter Pult- oder Satteldächern mit einer lichten Höhe von höchstens 1,80 m. Die Sachwertrichtlinie versteht unter einem Spitzboden (unabhängig von der lichten Höhe) eine zusätzliche Ebene im Dachgeschoss.

Zuordnung der Grundflächen zu den Bereichen a, b, c für Zwecke der BGF-Ermittlung gemäß Abschnitt 4.1.1.4 der Sachwertrichtlinie
Selbst wenn die lichte Höhe in der Mitte des Raumes mehr als 1,80 m beträgt, so ist der Spitzboden oft nach Bauordnungsrecht dennoch nicht für den dauernden Aufenthalt geeignet. So müssen z.B. in Nordrhein-Westfalen Aufenthaltsräume unter einer Dachschräge eine lichte Höhe von 2,20 m über mindestens der Hälfte ihrer Grundfläche haben.
Für die Belange der Wertermittlung wird die Definition der Sachwertrichtlinie herangezogen. Es handelt sich demnach bei einem ausgebauten Spitzboden um eine zusätzliche Grundrissebene im Dachgeschoss, die zu Wohnzwecken ausgebaut, aber nicht für den dauernden Aufenthalt geeignet ist.
Wie wird der Spitzboden bei der Flächenermittlung berücksichtigt?
Gemäß Abschnitt 4.1.1.4 Abs. 4 der Sachwertrichtlinie werden Flächen von Spitzböden nicht auf die Brutto-Grundfläche (BGF) angerechnet.
Bei der Wohnflächenermittlung bleiben die Flächen von Spitzböden (i.S.d. obigen Definition) ebenfalls unberücksichtigt, da gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 2 der Wohnflächenverordnung Grundflächen von Räumen, die nicht den an ihre Nutzung zu stellenden Anforderungen des Bauordnungsrechts der Länder genügen, nicht zur Wohnfläche gehören.
Zuschläge an den Kostenkennwerten
Die Sachwertrichtlinie unterscheidet bzgl. Dachgeschossen zwischen drei Gebäudearten:
- Gebäudeart mit Flachdach oder flach geneigtem Dach
- Gebäudeart mit nicht ausgebautem Dachgeschoss
- Gebäudeart mit ausgebautem Dachgeschoss
Eine spezielle Gebäudeart mit ausgebautem Dachgeschoss und darüber liegendem ausgebauten Spitzboden existiert nicht. Diese Besonderheit soll durch einen Zuschlag am Kostenkennwert werterhöhend berücksichtigt werden.
Die Höhe des Zuschlags bestimmt sich nach dem Grad der wirtschaftlichen Nutzbarkeit des Spitzbodens, insbesondere nach der vorhandenen wohnlich nutzbaren Fläche. Diese ist im Wesentlichen abhängig von Dachneigung und Giebelbreite. Je steiler das Dach und je breiter das Gebäude, desto größer ist die wohnlich nutzbare Fläche.
Orientierungswerte zur Berücksichtigung eines ausgebauten Spitzbodens des AGVGA.NRW
Die Arbeitsgemeinschaft der Vorsitzenden der Gutachterausschüsse für Grundstückswerte in Nordrhein-Westfalen (AGVGA.NRW) haben ein Modell zur Ableitung von Sachwertfaktoren aufgestellt und in diesem Zusammenhang auch Orientierungswerte für die Berücksichtigung eines ausgebauten Spitzbodens festgelegt. Ausgehend vom Kostenkennwert für die Gebäudeart mit ausgebautem Dachgeschoss beträgt der Zuschlag zwischen 7,0 % und 17,5 %. Die Höhe des Zuschlags hängt von der Gebäudeart, der Dachneigung, der Giebelbreite, dem Vorhandensein eines Drempels und dem Gebäudestandard ab.

Quelle: AGVGA – NRW, Modell zur Ableitung von Sachwertfaktoren, Stand 16. Juni 2015, S. 27
Die Anwendung dieser Orientierungswerte gestaltet sich relativ komplex. Neben einer Differenzierung abhängig von Gebäudeart und Gebäudestandard sind für die Anwendung der Orientierungswerte des AGVGA.NRW die Angaben zu Giebelbreite, Dachneigung und Drempelhöhe erforderlich. Diese können im Idealfall den dem Sachverständigen vorliegenden Bauunterlagen entnommen werden. In der Bewertungspraxis – insbesondere der vereinfachten Desktop-Bewertung – liegen diese Parameter oft nicht sämtlich vor. Deren Bestimmung gehört auch nicht zum üblichen Leistungsumfang. Es entsteht also ein Mehraufwand, den es zu vermeiden gilt.
Die Zuschläge sind aufwändig durch Interpolation bzgl. aller Merkmale zu bestimmen. Dies soll folgendes Anwendungsbeispiel des AGVGA.NRW verdeutlichen.

Quelle: AGVGA – NRW, Modell zur Ableitung von Sachwertfaktoren, Stand 16. Juni 2015, S. 27
Berücksichtigung eines ausgebauten Spitzbodens nach dem Prinzip der Substitution
Alternativ zum Zuschlagmodell des AGVGA.NRW kann der Mehrwert des Spitzbodens dem Prinzip der Substitution folgend bestimmt werden. Hierzu stellt man sich die Frage: “Wie groß müsste ein gleichwertiges Haus sein, das keinen ausgebauten Spitzboden hat?”
Entscheidend für den Mehrwert des Spitzbodens ist dessen Wohnwert. Dieser hängt wesentlich von den lichten Höhen der Raumteile ab. In Anlehnung an die Regelungen der Wohnflächenverordnung kann man die Spitzbodenfläche in drei Teilbereiche unterschiedlicher Nutzbarkeit aufteilen:
- nicht nutzbar: Flächen unter Dachschrägen mit einer lichten Höhe von weniger als einem Meter
- eingeschränkt nutzbar: Flächen unter Dachschrägen mit einer lichten Höhe von mindestens einem Meter und weniger als zwei Metern
- nutzbar: Flächen mit einer lichten Höhe von mindestens zwei Metern
Auch wenn die Grundfläche des Spitzbodens nicht zur nach Wohnflächenverordnung bestimmten Wohnfläche gehört, kann dennoch hierfür eine wohnwertabhängige Nutzfläche ermittelt werden. Hierzu werden die nutzbaren Flächen voll, die eingeschränkt nutzbaren Flächen hälftig und die nicht nutzbaren Flächen nicht auf die wohnwertabhängige Nutzfläche angerechnet.
Das Verhältnis zwischen Wohnfläche und BGF beträgt näherungsweise 0,8. Um 1 m² Wohnfläche zu realisieren, muss man also ungefähr (1 m² / 0,8 =) 1,25 m² BGF errichten. Das Substitut der Spitzbodenfläche lässt sich also wie folgt berechnen:
BGF (Substitut) = wohnwertabhängige Nutzfläche des Spitzbodens x 1,25
Hierin ist jedoch noch nicht berücksichtigt, dass der Spitzboden nicht zum dauernden Aufenthalt geeignet ist und i.d.R. die Ausstattung im Vergleich zu den übrigen Wohnräumen einfacher ist. Dieser Umstand kann mit dem Wohnwertfaktor für Hobbyräume gemäß Wohnflächen- und Mietwertrichtlinie (WMR) berücksichtigt werden.
BGF (Substitut) = wohnwertabhängige Nutzfläche des Spitzbodens x 1,25 x Wohnflächenfaktor
Für einen gut nutzbaren Hobbyraum beträgt der Wohnwertfaktor 0,6 bis 0,8.
Der Zuschlag für den Spitzboden am Gebäudesachwert beträgt somit:
Zuschlag [€]
=
wohnwertabhängige Nutzfläche des Spitzbodens [m²]
x
Nutzflächenfaktor (1,25)
x
Wohnflächenfaktor (0,6 – 0,8)
x
NHK-Kostenkennwert [€/m²]
x
Baupreisindex
x
Alterswertminderung
Anwendungsbeispiel
Es ist ein freistehendes Einfamilienhaus zu bewerten:
Typ 1.01 (1 Geschoss, unterkellert, ausgebautes Dachgeschoss)

Der Spitzboden ist als Hobbyraum ausgebaut und durch eine Spindeltreppe erschlossen.
Giebelbreite = 11 m
BGF (ohne Spitzboden) = 330 m²
Drempelhöhe im Dachgeschoss = 1 m
Dachneigung = 40°
wohnwertabhängige Nutzfläche des Spitzbodens = 27 m²
maximale lichte Höhe des Spitzbodens = 2,7 m
Gebäudestandard = 4
NHK-Kostenkennwert = 1.005 €/m²
Baupreisindex = 1,284
Alterswertminderung = 27,40 %
Zuschlagmethode des AGVGA.NRW
Objekt | interpolierte Zuschläge für die einzelnen Merkmale |
|
---|---|---|
Dachneigung in ° | 40 | 7,5 % |
Giebelbreite in m | 11 | 9,1 % |
Standardstufe | 4 | 7,5 % |
Gebäudeart 1.01 | Mittel | 8,0 % |
Gebäudesachwert (inkl. Spitzboden) = 330 m² x 1.005 €/m² x 1,08 x 1,284 x 0,726 = 333.892 €
Zuschlagmethode nach dem Prinzip der Substitution
Gebäudesachwert (ohne Spitzboden) = 330 m² x 1.005 €/m² x 1,284 x 0,726 = 309.159 €
Zuschlag für den Spitzboden = 27 m² x 1,25 x 0,8 x 1.005 €/m² x 1,284 x 0,726 = 25.295 €
Gebäudesachwert inkl. Spitzboden = 309.159 € + 25.295 € = 334.454 €
Fazit
Anhand dieses einfachen Beispiels erkennt man, dass beide Methoden zu etwa gleichen Ergebnissen gelangen. Eine Untersuchung einer Stichprobe von 13 Praxisfällen mit ausgebauten Spitzböden hat dies bestätigt. I.d.R. waren die Abweichungen vernachlässigbar bzw. im Einzelfall erklärbar.
Zu den erklärbaren Abweichungen zählen Fälle mit ungewöhnlichem Verhältnis von Giebelbreite und Trauflänge, besondere Dachkonstruktionen, Teilausbau des Spitzbodens sowie eine erhöhte Ausnutzbarkeit des ausgebauten Spitzbodens aufgrund eines höheren Drempels im Dachgeschoss. Die Substitutionsmethode kann solchen Einzelfällen besser gerecht werden und liefert deshalb in vielen Einzelfällen plausiblere Ergebnisse.
Zudem ist ihre Handhabung relativ einfach, da die Bestimmung der wohnlich nutzbaren Fläche für Sachverständige keine Schwierigkeit darstellt und zum normalen Leistungsumfang einer Wertermittlung zählt.
Auf der Suche nach dem geeigneten Bezugsmaßstab
Herstellungskosten wert- und nicht kostenorientiert ansetzen
Mit dem aktuellen Release 2/2021 wurde das Programm Ten2Click eXpert der Programmsuite SprengnetterONE um die automatisierte Berücksichtigung eines ausgebauten Spitzbodens ergänzt. Hierzu wurde die Abfrage der Ausprägungen zum Dach um die Abfrage einer wohnlich nutzbaren Fläche in einem Spitzboden erweitert. Bei Angabe dieser wird ein Systemvorschlag im Reiter Gebäudesachwert für den ausgebauten Spitzboden ausgewiesen. Dieser wird in dem in diesem Beitrag beschriebenen Modell nach dem Prinzip der Substitution ermittelt und kann im Einzelfall manuell durch den Nutzer noch angepasst werden.