Vermietungsabschlag nachvollziehbar ermitteln
Im Rahmen der letzten BelWertV-Novelle hat die BaFin klargestellt, dass bei vermieteten eigennutzungsfähigen Ein- und Zweifamilienhäusern und Eigentumswohnungen grundsätzlich ein Wertabschlag wegen der Vermietung zu berücksichtigen ist. Die Höhe der Wertminderung soll nachvollziehbar ermittelt werden. Leider gibt es nur relativ wenige Quellen, aus denen die Höhe der Wertminderung verlässlich abgeleitet werden kann. Dieser Beitrag soll eine Hilfestellung dabei leisten.
Von Jochem Kierig und Sabrina Buchholz
Grundsatz
Grundsätzlich werden Ein- und Zweifamilienhausgrundstücke sowie Eigentumswohnungen vorrangig zum Zwecke der Eigennutzung erworben. Ist das Haus oder die Wohnung zum Zeitpunkt der Veräußerung vermietet, stellt dies eine Belastung der Immobilie dar. Wegen der geringeren Nachfrage nach derart belasteten Objekten reagiert der Markt darauf üblicherweise mit Wertabschlägen.
Die Sachwertfaktoren, Liegenschaftszinssätze und Vergleichswerte werden für solche Objekte zumeist ausschließlich für leerstehende oder eigengenutzte (, die dann beim Verkauf mietvertragsfrei übergeben werden) Objekte abgeleitet. Die Belastung durch die Vermietung wird demnach nicht in den üblichen Bewertungsansätzen berücksichtigt. Deshalb sind bei vermieteten Objekten an den mit solchermaßen abgeleiteten Bewertungsdaten ermittelten vorläufigen Verfahrensergebnissen im Rahmen der Marktwertermittlung sog. Vermietungsabschläge anzubringen. Auch in der Beleihungswertermittlung sind gemäß § 4 Abs. 2 Satz 2 BelWertV die mit der Vermietung verbundenen Wertminderungen nachvollziehbar zu ermitteln und vom Beleihungswert abzuziehen.
Vermietungsabschläge laut Veröffentlichung der Gutachterausschüsse
Der Obere Gutachterausschuss in Rheinland-Pfalz hat vor einigen Jahren aus Kaufpreisen für vermietete und auch für unvermietete Ein- und Zweifamilienhäuser Liegenschaftszinssätze abgeleitet (Datenbasis: 453 unvermietete und 49 vermietete Objekte; Quelle: Landesgrundstücksmarktbericht 2007).

Die aus diesen Untersuchungsergebnissen resultierenden Wertminderungen betragen bei langer Restnutzungsdauer rd. 16 %. Je kürzer die Restnutzungsdauer, desto niedriger ist die Wertminderung. Bei kurzer Restnutzungsdauer (30 % der GND) beträgt die Wertminderung nur noch rd. 7 %. Dass die Höhe des Wertabschlags bei Einfamilienhäusern u.a. von der Restnutzungsdauer abhängt, ist plausibel, da sich die Belastung durch die Vermietung vorrangig nur auf den Gebäudewertanteil und nicht auf den Bodenwertanteil auswirken dürfte. Der Wertabschlag wird hingegen am Gesamtwert angebracht. Mit abnehmender Restnutzungsdauer nimmt auch der Gebäudewertanteil und damit der Wertabschlag am Gesamtwert ab. Sprengnetter ist in früheren Untersuchungen zu ähnlichen Ergebnissen gelangt (Sprengnetter, Lehrbuch und Kommentar, Teil 6, Kapitel 2, Abschnitt 5.5).
Im Jahr 2022 haben wir 328 Grundstücksmarktberichte der Gutachterausschüsse ausgewertet. In nur 33 Berichten gab es Angaben zum Vermietungsabschlag für Eigentumswohnungen. Für Einfamilienhäuser waren es sogar nur 15 Berichte. Demnach betragen die Wertminderungen bei Eigentumswohnungen im Mittel rd. 6 % (Spanne = 3 % bis 15 %; 25 %-Quantil = 5 %, 75 %-Quantil = 9 %) und bei Einfamilienhäusern im Mittel rd. 4 % (Spanne = 0 % bis 10 %; 25 %-Quantil = 1,2 %, 75 %-Quantil = 5,5 %). Nur in einem einzigen Fall überstieg der Vermietungsabschlag die 10 %-Marke. Eine Abhängigkeit vom Bodenwertniveau oder der Einwohnerzahl konnte nicht festgestellt werden.


Vermietungsabschläge gemäß einschlägiger Literatur
Auch in der einschlägigen Bewertungsliteratur wird man fündig. So verweist Kleiber (Verkehrswertermittlung von Grundstücken, 9. Aufl. Teil V Rn 52, 94) z.B. auf eine Untersuchung des Gutachterausschusses von Bergisch-Gladbach aus dem Jahr 2012, wonach vermietete Eigentumswohnungen im Verhältnis zu bezugsfreien Eigentumswohnungen in Abhängigkeit von der Größe der Wohnanlage mit Abschlägen zwischen 8 % und 14 % gehandelt werden. Reher in Schröter / Ziesenitz (Handbuch Immobilienbewertung in der Kreditwirtschaft, 2. Auflage, Rn 1876) beziffert den Abschlag mit 3 % bis 5 %. Staiber berichtet in einem Zeitschriftenartikel (Der Entwurf der BelWertV-Novelle im Fokus, GuG 2022) von sehr unterschiedlichen Herangehensweisen in der Praxis, die von einem pauschalen Abzug von 10 %, über den Abzug einer Jahresmiete, bis hin zu einem Abzug von 3 % bis 5 % des Gesamtwertes reichen. Sprengnetter verweist in seinem Lehrbuch und Kommentar (Teil 9, Kapitel 62, Abschnitt 4.15) auf Marktanalysen für den Landkreis Ahrweiler und die Stadt Stuttgart. Demnach betragen die Wertabschläge infolge Vermietung 5 % bis 20 %. Laut Sprengnetter hängt die Höhe der Wertabschläge maßgeblich davon ab, wie schnell die Wohnung nach Erwerb für die Eigennutzung zur Verfügung steht. Ist eine Räumung der Wohnung kurzfristig (innerhalb von 6 Monaten) möglich, so beziffert Sprengnetter die Höhe des Wertabschlags mit einer Spanne von 5 % bis 10 %. Besteht jedoch bei einer Eigentumswohnung eine Sperrfrist aufgrund Wohnungsumwandlung nach § 577a BGB (3- bzw. 10-jähriger Kündigungsschutz) so empfiehlt Sprengnetter einen Wertabschlag in Höhe von 15 % bis 20 %.
Faktoren, die die Höhe des Vermietungsabschlags bestimmen
Die Höhe des Vermietungsabschlags hängt im Wesentlichen von folgenden Faktoren ab:
- Objektart (ETW, EFH, EFH mit Einliegerw., ZFH)
- Berücksichtigung in sonstigen Bewertungsparametern
- Grad der Beeinträchtigung (komplett oder tlw. vermietet, Haupt- oder Nebenwohnung betroffen, Dauer der Mietbindung)
- regionale Marktsituation (Verkäufermarkt tendenziell niedriger als bei Käufermarkt)
- Restnutzungsdauer
Empfehlungen für die Praxis
Bei ETW beträgt der Vermietungsabschlag gemäß den aktuellen Untersuchungsergebnissen der Gutachterausschüsse i.d.R. 5 % bis 10 %. Das Gleiche gilt für EFH und EFH mit Einliegerwohnung, wenn die Hauptwohnung vermietet ist. Ist beim EFH mit Einliegerwohnung hingegen nur die Einliegerwohnung vermietet, besteht quasi keine messbare Beeinträchtigung. Die Wertminderung beträgt in diesem Fall 0 %. Ist beim ZFH die üblicherweise eigengenutzte Wohnung vermietet, so entspricht der Wertabschlag dem des EFH. Ist hingegen nur die Nebenwohnung vermietet, dürfte sich die Vermietung nicht wertmindernd auswirken.
Darüber hinaus kann aus der Vermietung eine Wertminderung resultieren, wenn die Wohnung(en) erheblich unter dem ortsüblich nachhaltig erzielbaren Mietzins vermietet ist/sind (underrent). Die daraus resultierende Wertminderung entspricht der kapitalisierten Mindermiete.
Bei Ein- und Zweifamilienhäusern empfehlen wir aufgrund der überzeugenden Untersuchungsergebnisse des Oberen Gutachterausschusses in Rheinland-Pfalz die Höhe des Vermietungsabschlags in Abhängigkeit von der Restnutzungsdauer zu wählen. Bei niedriger Restnutzungsdauer (z.B. von 30 Jahren) könnte man sich so an dem unteren Spannenwert (5 %) und bei langer Restnutzungsdauer (z.B. von 80 Jahren) an dem oberen Spannenwert (10 %) orientieren. Die vor vielen Jahren von dem Oberen Gutachterausschuss ermittelten Abschlagshöhen von bis zu 16 % werden durch die aktuellen Untersuchungen / Veröffentlichungen nicht bestätigt. Deshalb empfehlen wir den Abschlag derzeit bei 10 % zu deckeln.
Für die Höhe des Vermietungsabschlags dürfte auch die regionale Marktsituation von Bedeutung sein. Bei geringem Angebot und großer Nachfrage (Verkäufermarkt) wirkt sich die Vermietung weniger stark wertmindernd aus als bei einem Käufermarkt. Auch wenn in den letzten Monaten die Nachfrage auf dem Markt der Wohnimmobilien stark zurückgegangen ist, besteht vielerorts noch immer ein Nachfrageüberhang. In diesen Fällen empfehlen wir, sich an dem unteren Spannenwert zu orientieren. D.h. also insbesondere bei stark nachgefragten Eigentumswohnungen nur einen Abschlag für Vermietung in Höhe von 5 % anzusetzen.
Steht die (Haupt)Wohnung aus z.B. rechtlichen Gründen (Mietbindung, Sperrfrist) für längere Zeit nach Erwerb nicht für Eigennutzungszwecke zur Verfügung, resultiert daraus jedoch eine höhere Wertminderung von i.d.R. 15 % bis 20 %. Im Extremfall ist das Objekt nicht zweifelfrei zur Eigennutzung geeignet. In diesem Fall, wäre der Beleihungswert am Ertragswert zu orientieren.
Der Vollständigkeit halber ist noch darauf hinzuweisen, das der Vermietungsabschlag mit 0 % anzusetzen ist, wenn die angesetzten Bewertungsparameter (Sachwertfaktor, Liegenschaftszinssatz, Vergleichswert) aus Kaufpreisen für vermietete Objekte abgeleitet wurden.