Am 8. Oktober 2022 sind die Änderungen der Beleihungswertermittlungsverordnung (BelWertV) in Kraft getreten. Eine Übergangsfrist ist in der Verordnung nicht vorgesehen. Neue Mindestkapitalisierungszinssätze noch höher als vorher. Dieser Beitrag schafft einen ersten Überblick.
Von Jochem Kierig
Am 7. Oktober 2022 ist im Bundesgesetzblatt die Pfandbriefrechtliche Änderungsverordnung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) vom 4. Oktober 2022 verkündet worden. Hierdurch wird u.a. die Beleihungswertermittlungsverordnung geändert. Die Änderungen sind am Tag nach der Verkündung, also am 8. Oktober 2022, in Kraft getreten und sind somit unmittelbar anzuwenden. Die Geschäftsstelle des vdp bemüht sich jedoch bei der BaFin um angemessene Umsetzungsfristen.
In der Beleihungswertermittlungsverordnung (BelWertV) werden laut BaFin zum einen Klarstellungen aufgrund von Erfahrungen aus Deckungsprüfungen, zum anderen Anpassungen an die Marktentwicklung vorgenommen.
Die 16 wichtigsten Änderungen:
- Die bisher fixen Mindestkapitalisierungszinssätze wurden dynamisiert. Dies geschieht durch Anknüpfung an die Entwicklung der Rendite 30jähriger Bundesanleihen plus eines festen nutzungsartspezifischen Zuschlags. Die BaFin teilt jährlich die sich neu ergebenden Mindestkapitalisierungszinssätze auf ihrer Internetseite mit. Diese betragen derzeit für Objekte mit wohnwirtschaftlicher Nutzung 5,1 % und für Objekte mit gewerblicher Nutzung 6,1 %. Die Mindestkapitalisierungszinssätze dürfen nun auch für erstklassige Wohnimmobilien um 0,5 Prozentpunkte unterschritten werden. Das galt bislang nur für erstklassige Gewerbeimmobilien.
- Die Kleindarlehensgrenze wurde um 50 % auf 600.000 € erhöht.
- Bei Ein- und Zweifamilienhäusern und Eigentumswohnungen kann die Ermittlung des Vergleichswerts auch unter Nutzung computerunterstützter datenbankbasierter Bewertungsmodelle erfolgen, wenn diese mindestens jährlich durch eine unabhängige qualifizierte Stelle validiert werden. Das gilt sowohl für vereinfachte Wertermittlungen nach § 24 BelWertV als auch für Gutachten nach § 5 BelWertV.
- Im Kleindarlehensbereich ist eine Besichtigung per Videoübertragung möglich, wenn bei dem Objekt eine Restnutzungsdauer von mindestens 40 Jahren erwartet werden kann. Der Beleihungswert ist diesem Fall um mindestens 5 % zu mindern.
- Die Feststellung der Nachhaltigkeit bewertungsrelevanter Objektmerkmale bedarf einer langfristigen Betrachtung der Marktgegebenheiten. Über welchen Zeitraum die Entwicklung der Bewertungsparameter zu betrachten ist, regelt die Verordnung nicht. Der Zeitraum ist jedoch zu benennen und seine Angemessenheit nachvollziehbar darzulegen.
- In allen Fällen ist nur noch maximal ein Kontrollwert (Sachwert oder Vergleichswert) erforderlich (Zwei-Säulen-Prinzip). Bei eigennutzungsfähigen Immobilien bleibt es dabei, dass auf einen Kontrollwert ganz verzichtet werden kann.
- Vermietungsabschlag für vermietete eigennutzungsfähige Ein- und Zweifamilienhäuser und Wohnungseigentum.
- Aufhebung des Paradoxon, dass sich der Zustandswert für ein Objekt, dessen Ertragswert unter dem Sachwert liegt, ohne Berücksichtigung des Bodenwerts errechnete.
- Hervorhebung von Mieterdienstbarkeiten und Sanierungsvermerke als zu berücksichtigende Umstände.
- Bei Betreiberimmobilien (Gastronomie, Kinos und vergleichbaren Freizeitobjekten) ist der Rohertrag aus Umsätzen pro Sitzplatz abzuleiten.
- Der Liquidationswert ist über den Zeitraum bis zur Freilegung des Grundstücks abzuzinsen.
- Berücksichtigung der Abbruchkosten im Sachwertverfahren bei einer Restnutzungsdauer von weniger als 30 Jahren. Die Abbruchkosten sind über die Restnutzungsdauer mit dem Kapitalisierungszinssatz abzuzinsen.
- Berücksichtigung der regionalen Marktgegebenheiten und Nachhaltigkeit als Abschlag am Sachwert bei Ein- und Zweifamilienhäuser (sog. Nachhaltigkeitsfaktor < 1)
- Die Mindestsätze für Verwaltungskosten für Wohnungen, Ein- und Zweifamilienhäuser, Eigentumswohnungen, Garagen und Tiefgaragenplätze entsprechen den in Anlage 3 der ImmoWertV geregelten Modellansätzen und werden somit jährlich an die Verbraucherpreisentwicklung angepasst.
- Absenkung der maximal anzusetzenden Nutzungsdauer von Warenhäusern und Einkaufzentren von 50 auf 40 Jahre.
- Der Beleihungswert ist längstens jährlich zu überwachen.
Pfandbriefrechtliche Verordnung vom 4. Oktober 2022 (BGBl. Nr. 36 vom 7. Oktober 2022)
BaFin-News vom 7. Oktober 2022 zur Verkündung der Pfandbriefrechtlichen Änderungsverordnung
BaFin-News vom 10. Oktober 2022: BaFin gibt neue Mindestkapitalisierungszinssätze nach 12 Absatz 4 Satz 1 der Beleihungswertermittlungsverordnung bekannt