2021 nahmen die Überbewertungen bei Wohnimmobilien zu
Nach Ansicht der Deutschen Bundesbank nahmen 2021 die Überbewertungen bei Wohnimmobilien zu und betragen jetzt in deutschen Städten bis zu 40 Prozent. Angesichts dessen fordert das European Systemic Risk Board (ESRB) unverzüglich die Einführung einer Beleihungsgrenze.
Von Jochem Kierig
Alle Jahre wieder berichtet die Deutsche Bundesbank in ihrem Februarbericht über die Entwicklung der Wohnimmobilienpreise. So auch in diesem Jahr. Und wie jedes Jahr warnt die Bundesbank vor Überbewertungen bei Wohnimmobilien. Allerdings sollen angesichts der schwächeren Entwicklung der Fundamentalfaktoren die Überbewertungen 2021 zugenommen haben. In den Vorjahren ist die Bundesbank davon ausgegangen, dass die Überbewertungen in den Städten 15 bis 30 Prozent betragen. 2021 sollen die Immobilienpreise hingegen zwischen 15 Prozent und 40 Prozent über dem Preis gelegen haben, der durch soziodemografische und wirtschaftliche Fundamentalfaktoren angezeigt ist. Der Bundesbank zufolge lag das Kaufpreis-Jahresmiete-Verhältnis bei Wohnungen in Städten 2021 gut 30 Prozent und in den sieben größten deutschen Städten rund 40 Prozent über seinem langfristigen Mittelwert.
Die Aufsicht zeigt sich zunehmend beunruhigt über die Entwicklung der Wohnimmobilienpreise. So hat die BaFin im Januar 2022 den antizyklischen Kapitalpuffer und einen Systemrisikopuffer für Wohnimmobilien festgesetzt und die Kreditinstitute zur Vorsicht gemahnt. Angesichts der aktuellen Entwicklungen am Markt der Wohnimmobilien sollen diese bei der Neukreditvergabe besonders vorsichtig sein.
Die BaFin hat für das Jahr 2022 sechs Hauptrisiken für die deutsche Finanzbranche identifiziert, mit denen sie sich prioritär befassen will. Dazu zählen die Risiken aus Korrekturen an den Immobilienmärkten. Nach Ansicht der BaFin birgt der Markt der Wohnimmobilien derzeit systemische Risiken. Deshalb wird sie u.a. Werthaltigkeitsprüfungen bei ausgewählten Banken vornehmen und dabei Immobilienexposures analysieren. Abhängig von den Ergebnissen will sie aufsichtliche Konsequenzen ziehen.
Auch der Europäische Ausschuss für systemische Risiken (ESRB) hat im Dezember 2021 vor mittelfristigen Schwachstellen im deutschen Wohnimmobiliensektor gewarnt, die die Finanzstabilität gefährden. Die wichtigsten Schwachstellen, die der Ausschuss auf dem deutschen Markt für Wohnimmobilien festgestellt hat, waren die erhebliche Überbewertung der Immobilienpreise in städtischen Gebieten, die mit einer weitverbreiteten und rasanten Immobilienpreisdynamik einhergeht, sowie einige Anzeichen für eine Lockerung der Kreditvergabestandards für Wohnungsbaudarlehen. Der ESRB empfiehlt, in Deutschland unverzüglich eine Beleihungsgrenze einzuführen, um solide Kreditvergabestandards gegen die Überbewertung der Immobilienpreise zu gewährleisten. Gleichzeitig sollte der deutsche Rechtsrahmen für kreditnehmerbezogene Maßnahmen durch einkommensbezogene Instrumente ergänzt und entsprechend angepasst werden, um die rechtzeitige Aktivierung kreditnehmerbezogener Maßnahmen zu ermöglichen und so den Aufbau von Schwachstellen zu vermeiden.
Quellen: Empfehlung des Europäischen Ausschusses für systemische Risiken vom 2. Dezember 2021 zu mittelfristigen Schwachstellen im Wohnimmobiliensektor in Deutschland (ESRB/2021/10 Euro), Pressemitteilung der BaFin vom 12. Januar 2022, Monatsbericht Februar 2022 der Deutschen Bundesbank, BaFin-Pressemitteilung vom 2. März 2022 zu den Risiken im Fokus der BaFin